Die ewige Linie

"Es mag ein ewige lini erdacht werden/ Die da stettiglich zu eim Zentrum eynwartz/. Auch an dem andern teyl in die weyten uber einander laufft/.Un nymer mehr zu keym end kombt/ Diese lini kann man mit der hand der unentlichen größe und kleine halben nit machen/ Dann ir anfang und end so sie nit sind/ Ist es nit zu finden/ Das fast allein der verstand... Also laufft diese lini ye lenger ye enger hynein/ Und lenger ye weyter herauß/ Unnd kumbt doch nymer meer zu keim ende/ Weder hynein noch herauß."

"Die logarithmische Spirale hat weder einen Anfang noch ein Ende". Dieser Satz aus dem Bereich der Mathematik hat mich, seit ich ihn zuerst gehört habe, gefesselt. Daß eine Spirale nach außen theoretisch endlos gezeichnet werden kann war mir klar, daß sie jedoch auch nach innen keinen Anfang hat?

Ich erkannte: Mathematik ist mehr als ein bei den meisten ungeliebtes Schulfach - sie geht über in Philosophie und Religion, welche sich mit dem unlösbaren Rätsel des Anfangs und Endes befassen, mit den alten Menschheitsfragen des "Woher und Wohin". Diese Gedanken begleiteten mich immer wieder während meiner künstlerischen Entwicklung, so auch bei meiner hier vorgestellten Arbeit "Die ewige Linie".

Die eingangs zitierten Worte stammen von Albrecht Dürer, der die Logarithmische Spirale als "Ewige Lini" bezeichnet. Er beschreibt in seiner "Underweysung der messung mit dem zirckel un richtscheyt" die Konstruktion unterschiedlicher Spiralen und deren Anwendung im Bereich der Kunst. Beispielsweise entwarf er einen Bischofsstab.

Der Bischofsstab, auch als Krummstab oder Hirtenstab bekannt, hat seinen Ursprung im Alten Ägypten, wo er als Insignie von Königen und Gottheiten ein Zeichen zugleich von Herrschaft und Wiedergeburt war.

Ich sehe den Bischofsstab auch als Wanderstab oder Pilgerstab und somit als Symbol für den Weg, für den immer wieder neuen Anfang und Aufbruch.

Auch in der ewig sich erneuernden Natur sind vielfache Spiralen zu finden. Sie reichen vom kleinen Schneckenhaus über die Anordnung der Körner in der Sonnenblume, Nabelschnur, Herzmuskelfasern bis hin zu Strömungsbewegungen von Luft- und Wasser und noch weiter zu den Spiralnebeln im All.

Die Spirale schließt sich nicht wie der Kreis Sie kommt zu keinem Ende, und obwohl sie sich im Kreis bewegt, entwickelt sie sich doch endlos weiter…